Im Dezember 2023 hat ARNOLD UMFORMTECHNIK ein neues Werk im Baden-Württembergischen Forchtenberg-Rauhbusch eröffnet. Das neue Werk ist das jüngste Engagement des Unternehmens an seinem Hauptsitz. In der knapp 5.300 Einwohner großen Gemeinde entstehen so bis zu 400 zukunftssichere neue Jobs. Die Beschäftigten fertigen mittels Kaltumformung mehrfach umgeformte Teile aus Aluminium und Kupfer: Verbindungselemente für Batterien, Kühlmittelstutzen oder Teile von Steckverbindern im Bordnetz. Das Verfahren vermeidet laut ARNOLD Ausschuss und überschüssige Metallspäne fast vollständig. Verglichen mit einem Drehteil und je nach geometrischer Ausprägung spart das Unternehmen so über 70 Prozent CO2-Emissionen.
Begonnen hat alles vor 125 Jahren im sogenannten Kochertal mit dem Fertigen von Schrauben. Inzwischen hat sich ARNOLD UMFORMTECHNIK zu einem Anbieter von Verbindungselementen entwickelt, betreibt fünf Standorte in Deutschland, Nordamerika und Asien. Seit Mitte der Neunzigerjahre gehört ARNOLD zur Würth-Gruppe – deren erster Schraubenlieferant das Unternehmen war. Kurzer Exkurs: Die erste Bestellung von Schrauben bei ARNOLD tätigte im Mai 1945 Adolf Würth. Er war der Gründer der Würth-Gruppe. Die Schrauben holte er gemeinsam mit seinem zehnjährigen Sohn ab – Reinhold Würth, heute Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrats der Würth-Gruppe.
Entwicklung und Produktion aus einer Hand
ARNOLD UMFORMTECHNIK fasst seine Aktivitäten mit Verbindungselementen heute unter der Bezeichnung „Blue-Fastening Systems“ zusammen. Im Detail heißt das: Engineering, Verbindungselemente, Funktionsteile, Zuführsysteme und Verarbeitungstechnik aus einer Hand – kombiniert mit vielen Jahren Erfahrung und Know-how. Unter der Marke „Conform“ entwickelt und produziert das Unternehmen zum Beispiel komplexe Kaltumformteile für multifunktionale Anwendungen. „Die Designmöglichkeiten für diese Teile sind nahezu unbegrenzt“, erklärt Lukas Schmieg, Senior Director Functional Components, „entsprechend breit sind die Anwendungsbereiche“. Möglich sind zum Beispiel Antriebswellen für Elektromotoren kleiner und mittlerer Baugröße etwa für Fensterheber, Scheibenwischer oder die Sitzverstellung.
Außerdem Lagerbuchsen, Muttern für Sensorgehäuse, Überwurfmuttern für Hydraulik-, Brems- und Kraftstoffleitungen. Die Verbindungselemente können dabei mit ihrer Form mehrere Funktionen vereinen: Zum Beispiel können sie verbinden und dichten oder eine Funktionsverbindung herstellen zwischen Verbindung und Lagerung, Antrieb oder einer Gelenkaufnahme.
Leichtbau mit dem richtigen Plan
Möglich sind auch Verzahnungen, kundenspezifische Außengeometrien, pressglatte Oberflächen – oder das Sparen von Werkstoff. Thema Leichtbau: Hier kann ARNOLD mittels kunststoffumspritzten Buchsen weitere Funktionen realisieren: Vorspannkräfte von Verschraubungen aufnehmen etwa oder mit Aluminiumbuchsen
das Gewicht weiter senken. Das alles gemeinsam mit den Kunden. „Um Bauteile, die bisher spanend gefertigt worden sind, mittels Kaltumformung herzustellen, sind im Vorfeld einige grundsätzliche Überlegungen notwendig“, sagt Schmieg. „Dabei geht es zum Beispiel um den Anwendungsbereich im Fahrzeug, innen oder außen. Oder welche Oberfläche und welche Art Korrosionsschutz das Bauteil haben muss. Wir müssen auch wissen, ob sich zum Beispiel die Geometrie des Bauteils grundsätzlich ändern darf oder ob es funktionale Merkmale wie Dichtflächen oder Passungen gibt. Also alle für den Kunden relevanten Parameter, die wir in unserer Fertigung berücksichtigen müssen.“ Basierend auf diesen Informationen erstellt ARNOLD UMFORMTECHNIK eine sogenannte Vorschlagszeichnung für die kostenoptimierte Umsetzung mittels Kaltumformung. Außerdem eine Herstellbarkeitsbewertung. „Zu Beginn der Entwicklung sprechen wir mit unseren Kunden außerdem über die Fertigungstechnologie, mögliche Kosteneinsparungen und Mengenszenarien“, erklärt Lukas Schmieg.
Neue Anforderungen aus der E-Mobilität
Bei elektrisch angetriebenen Fahrzeugen ändern sich die Anforderungen an die Verbindungselemente. Leichter und leitfähig sollen sie oft sein: Die passenden Werkstoffe dafür sind meist Kupfer und Aluminium, die für die jeweilige Anwendung neu bewertet werden müssen: etwa hinsichtlich ihrer Festigkeit.
„Aluminium und Kupfer haben andere Eigenschaften als Stahl. Dies gilt es in der gesamten Prozesskette zu betrachten. So haben wir beispielsweise die Möglichkeit, vom Schüttguthandling abzusehen und Präzisionsteile mit hohen Anforderungen durch Einzelteilzuführung oder -ausbringung besonders schonend zu verarbeiten.
Entscheidend ist dabei die technische Abstimmung mit dem Kunden in der Projektphase – dann können wir den optimalen Herstellprozess wählen und dem Kunden die gewünschte Qualität anbieten.“ Die Conform-Teile fertigt ARNOLD auf einem eigenen Maschinenpark. Dazu zählen Mehrstufenpressen mit bis zu sieben Umformstufen, Maschinen zur komplexen Innen- und Außenbearbeitung, Nachbearbeitungszentren, Reinigungstechnik und Anlagen zur Oberflächenbehandlung. Die Durchmesser der Teile variieren abhängig vom verwendeten Werkstoff. Bei Stahl sind 30 Millimeter möglich, beginnend von einem maximalen Drahtdurchmesser von 20 Millimetern. Bei Bauteilen aus Kupfer oder Aluminium kann der Außendurchmesser je nach Bauteilgeometrie über 30 Millimetern liegen. Abhängig vom Durchmesser wiederum können die Teile bis zu 100 Millimeter lang sein.
Serie „Powertite®“ für besondere Anforderungen
Für wenig Bauraum und hohe zu übertragende Montagekräfte hat ARNOLD UMFORMTECHNIK die gewindefurchende Schraubenserie „Powertite®“ entwickelt. Gegenüber marktüblichen Vergleichsprodukten haben Powertite®-Schrauben eine höhere Tragfähigkeit. Möglich macht das eine sogenannte Trilobular-Furchzone. Das heißt: Dort wo die Umformarbeit geleistet wird, hat die Schraube einen leicht dreieckigen Querschnitt mit abgerundeten Ecken.
„Mit der Kombination aus trilobularer Furchzone und rundem Tragquerschnitt haben wir gewindefurchende Schraubverbindungen deutlich verbessert“, sagt Bernd Weidner, Senior Director Fastening Solutions. „Bei niedrigen Furch- und hohen Versagensmomenten wird zugleich die Tragfähigkeit des gefurchten Mutterngewindes sowie der gewindefurchenden Schraube signifikant erhöht. Dadurch werden Optimierungen von Schraubenverbindung ermöglicht durch ein höheres Vorspannkraftniveau, durch Bauraumoptimierung oder auch durch Vereinfachung von Gießprozessen im Falle von gegossenen Kernlöchern bei Leichtmetallverschraubungen.“
Einsatzszenarien für die Schrauben sind zum Beispiel in Aluminiumdruckguss, Massivstahl, Magnesiumdruckguss oder Stahlblechdurchzügen – konkret: bei Hochvoltbatteriegehäusen, Aktuatoren in der Lenksäule oder Getriebegehäusen.
Am Beispiel der Verschraubung des Getriebegehäuses zeigt sich das Potenzial der Technik. An einem Lastverteilergetriebe konnte der Hersteller die bisherigen Schrauben M8x40 ersetzen durch Powertite M7x40. Pro Getriebe bedeutet das 42 Gramm weniger Gewicht und rund 72 Gramm weniger CO2. Das klingt wenig. Hochgerechnet auf etwa sechs Millionen Schrauben, die in allen Getrieben des Kunden verwendet werden, summiert sich die gesparte Menge CO2 aber auf rund 33 Tonnen jährlich.
Beispiel Nummer zwei: Bei einer E-Motor-Getriebeeinheit, die mit 33 Schrauben verbunden ist, senken Powertite-Schrauben das Gewicht pro Einheit um rund 213 Gramm, etwa 364 Gramm CO2. Basierend auf 80.000 geplanten Einheiten sparen die Powertite®-Schrauben rund 29 Tonnen CO2. „Die Powertite®-Schrauben haben für die Nutzer neben diesen Effekten weitere Vorteile: Sie sind einsetzbar in Stahl, Aluminium und weiteren Leichtmetallen, haben eine hohe Montagesicherheit, sind vibrationsbeständig – und sie erlauben Wiederholverschraubungen. Im Servicefall können sie sogar durch metrische Schrauben ersetzt werden“, informiert Weidner.
Vorlochfrei und vollautomatisiert fügen
Schon etwas länger erfolgreich am Markt hat ARNOLD seine fließlochformenden Schrauben „Flowform®“. Damit sind vorlochfreie, einseitig zugängliche und vollautomatisierte Fügeverbindungen möglich. „Die Flowform®-Schraube erwärmt und durchdringt das Blech. Mit ihrer polygonalen Spitzengeometrie formt sie ein Fließloch
und furcht ein Gewinde, das im Reparaturfall auch eine metrische Schraube aufnehmen kann“, erklärt Thorsten Lienhardt-Schuster, Senior Director Fastening Systems. Nach dem Einschrauben passt sich der geformte Durchzug den Konturen der Schraube laut Lienhardt-Schuster optimal an. Die Gewinde-Drehmomente während der Anwendung sind gering. Das Verfahren ist spanfrei, bei geringer Bauteildeformation. Eine Weiterentwicklung der Schraube ist die „Flowform® Plus“. „Die Anwendungsgrenze für das Fügen von Stahlanwendungen lag in Abhängigkeit von der Blechdicke bei der herkömmlichen Flowform® bei maximal 600 MPa, mit der Flowform® Plus liegt sie bei 1.000 MPa“, beschreibt Thorsten Lienhardt-Schuster die Weiterentwicklung.
Entstanden ist die Weiterentwicklung in einem Kundenprojekt in der Automobilindustrie. Hier änderten die Entwickler gegenüber der herkömmlichen Flowform® die Maße von fünf Millimetern Durchmesser auf vier Millimeter Durchmesser. Je nach Kopf und Länge wiegt die „Flowform® 5“ etwa vier Gramm, die neue „Flowform® Plus 4“ etwa drei Gramm. Das bedeutet 25 Prozent weniger Gewicht pro Schraube.
„Hochgerechnet auf die Anzahl der Schrauben in der Karosserie kommt da einiges zusammen“, sagt Lienhardt-Schuster. „500 Elemente der Flowform® 5 wiegen pro Fahrzeug zwei Kilogramm. Ersetzen wir die mit der Flowform® Plus 4, sind es nur noch 1,5 Kilogramm“, verdeutlicht Thorsten Lienhardt-Schuster.
Am besten geeignet sind die „Flowform® Plus“-Schrauben für höherfeste Stahlbleche und dickere Blechkombinationen. „Durch den Einsatz von Aluminium-Bauteilen können dickere Fügekombinationen mit mehreren Lagen entstehen. In der Vergangenheit wurden dann bei dreilagigen Verbindungen die Deck- und Mittellagen vorgelocht“, erklärt Lienhardt-Schuster.
Jetzt sind je nach Fügewerkstoff dickere Materialkombinationen bis zu 7,5 mm möglich – ohne vorlochen. Der Grund: Der geringere Schraubendurchmesser reduziert die Materialverdrängung. So entstehen kleinere Spalten zwischen den Blechen. Durch die geringere Abmessung sinkt die Reibfläche. Das Furchmoment ist entsprechend geringer als bei der Flowform® 5.
Kundentests im eigenen Versuchslabor
Aber wann eignet sich welcher Schraubentyp? Um das herauszufinden, hat sich ARNOLD UMFORMTECHNIK im Laufe der zurückliegenden Jahre viel Know-how aufgebaut. Im Labor für Blechfügetechnik in Dörzbach, das in die Forschung und Entwicklung eingegliedert ist, stehen dafür Versuchsaufbauten zur Verfügung und alle gängigen Anlagentechniken, außerdem eine Roboterzelle für seriennahe Erprobungen.
„Die Kundenvorstellungen für eine bestimmte Verbindungsstelle sind meistens ziemlich konkret. Entsprechend führen wir im Blechfügelabor zum Beispiel Machbarkeitsuntersuchungen mit Originalmaterial durch. Bei einer Fügepunktuntersuchung geht es etwas weiter ins Detail. Hier hat der Kunde bereits bestimmte Materialpaarungen definiert, die er einsetzen will“, erklärt Thorsten Lienhardt-Schuster. „Wir geben darauf basierend eine Empfehlung und konkrete Festigkeitswerte, die er in diesem Fügepunkt erzielt.
“Diese Empfehlungen schätzen die Kunden. So sehr, dass ARNOLD UMFORMTECHNIK bereits an die nächste Erweiterung seiner Produktion denken kann. Schon 2025 soll es losgehen. Dann entsteht gleich neben dem im Dezember eröffneten Werk das nächste Gebäude – und auch dort wird ARNOLD UMFORMTECHNIK für nachhaltige Verbindungen sorgen: mit seinen Kunden und in deren Projekten.
Über ARNOLD
ARNOLD ist seit dem Jahr 1994 Teil der Würth-Gruppe. Das Unternehmen beschäftigt an den fünf Standorten in Ernsbach, Dörzbach, Forchtenberg-Rauhbusch, Rochester Hills (USA) und Shenyang (China) insgesamt 1.469 Menschen. Im Jahr 2023 erwirtschaftete die ARNOLD GROUP einen Jahresumsatz von rund 300 Millionen Euro und produzierte sieben Milliarden Teile. Im Dezember 2023 eröffnete das Unternehmen eine neue Fertigung in Forchtenberg in der Nähe des Firmensitzes.